Egal ob beruflich oder privat – viele Menschen in Deutschland verbringen tausende Stunden jährlich sitzend am Computer. Matthews et al haben 2003 ca. 6000 Menschen in den USA untersucht und herausgefunden, dass diese 55 % ihrer Wachzeit mit sitzenden Tätigkeiten verbringen, im Schnitt sind das ca. 7 Stunden pro Tag (1). Dies gilt zunehmend auch für zahlreiche Jugendliche, die viele Stunden vor Youtube, beim Computerspielen, beim Browsen oder sonstigen Beschäftigungen im Internet verbringen. Die überwiegend im Sitzen verbrachte Zeit vor dem Computer ist so hoch, dass unser Körper darauf reagiert und Anpassungsvorgänge anstößt. Welche Folgen das Sitzen für den Körper hat und was an der einfachen Devise „Stehen während der Arbeit ist besser“ wirklich dran ist, kann man in diesem Artikel nachlesen.
Das wichtigste in Kürze
- Wir verbringen einen Großteil unserer täglichen Wachzeit im Sitzen, sodass unser Körper darauf reagiert. Ein Beispiel für die Anpassungsfähigkeit des Körpers zeigt das Röntgenbild auf dieser Seite.
- Sowohl zu langes Sitzen als auch zu langes Stehen während der Arbeit hat negative Folgen.
- Zu langes Sitzen resultiert in einer erhöhten Belastung der Lendenwirbelsäule und ist assoziiert mit erhöhtem Risiko für Übergewicht, Diabetis ll und Herz-Kreislauferkrankungen (s. unten)
- Der Arbeitsplatz im Sitzen als auch im Stehen sollte nach den unten stehenden Richtlinien optimiert werden.
- Sinnvoll ist eine Lösung, bei der man sowohl im Sitzen als auch im Stehen arbeiten kann. Eine Beispiellösung findet sich am Ende der Seite.
Beispiel für die Anpassungsfähigkeit des Körpers
Ein Beispiel dafür, dass der Körper Anpassungsvorgänge anstößt, wenn er lange Zeit einer gleichbleibenden Belastung unterworfen ist, sind Osteophyten. Dabei handelt es sich um knöcherne Anbauten, die vor allem im Bereich der Wirbelsäule zu finden sind: Ändert sich die Kraftübertragung, zum Beispiel weil Bandscheibenmaterial degeneriert ist, versucht der Körper sich durch den Anbau von Knochenmaterial „abzustützen“. Die Abbildung links zeigt eine gesunde Brustwirbelsäule, die Abbildung rechts zeigt eine Halswirbelsäule mit knöchernen Anbauten, den Osteophyten. (Hinweis: das rechte Bild stellt einen besonders schweren Fall im Rahmen einer bestimmten Grunderkrankung dar und dient nur der Veranschaulichung). Verschiebt sich die Kraftübertragung zusätzlich nach vorne, zum Beispiel aufgrund einer schlechten Körperhaltung beim Sitzen, finden die Anbauten insbesondere vorne an den Wirbelkörpern statt.
Die Sitzposition optimieren
Vielen Menschen und Arbeitgebern ist nicht bewusst, wie ein ergonomisch optimierter Arbeitsplatz auszusehen hat. Am Beispiel des klassischen Büroarbeitsplatzes möchten wir Ihnen hier zeigen, worauf man achten sollte. Auch wenn man viele Stunden am Computer spielt, sollte man dies zumindest in einer Körperhaltung tun, welche dem Körper möglichst wenig schadet.
- Der Schreibtisch / Arbeitsplatz sollte in einem Winkel von 90° zum Fenster des Raumes angeordnet werden. Vermeiden sollte man eine Position, bei der man direkt gerade auf das Fenster schaut. Dies ist zu hell für die Augen und führt zu rascher Ermüdung.
- Der Stuhl sollte so hoch eingestellt sein, dass der Winkel im Kniegelenk leicht über 90° liegt. Außerdem sollte der Stuhl eine Unterstützung für die Lendenwirbelsäule beinhalten.
- Der Tisch sollte so hoch eingestellt sein, dass der Winkel im Ellenbogengelenk leicht über 90° liegt.
- Als Faustregel für den Bildschirm gilt: Die erste Zeile des Bildschirms sollte sich etwa auf Augenhöhe befinden, der Abstand zwischen Augen und Bildschirm sollte etwa 50-80 cm betragen.
- Der Bildschirm sollte sich mittig vor einem auf dem Schreibtisch befinden. Zu vermeiden sind Anordnungen, bei denen man schräg auf den Bildschirm schauen muss.
Die Umgebung des Arbeitsplatzes optimieren
- Luftfeuchtigkeit: 40 – 60 %
- Raumtemperatur 20 – 22°, je nach Wohlfühltemperatur
- Auf ausreichend Frischluft achten: Stoßlüften ist dabei sinnvoller als das Fenster lange Zeit auf Kipp zu halten.
- Zugluft soweit es geht reduzieren
- Eine ruhige Arbeitsumgebung ist essenziell um die Produktivität aufrecht zu erhalten, als Richtwert gelten maximal 55 dB!
Sitzen vs. Stehen – Was sagt die Wissenschaft?
Ohne dass man aktiv danach suchen müsste hört man immer wieder, wie ungesund das Sitzen doch für unseren Körper sei. Was wirklich dran ist, und ob es wissenschaftliche Daten dafür gibt – klären wir in diesem Abschnitt. Wichtig zu beachten ist dabei, dass viele Studien in diesem Gebiet retrospektiv sind, d.h. sie beschreiben eine Korrelation und nicht unbedingt die Kausalität!
Folgen von zu langem Sitzen
- Zunächst das Offensichtliche: Wer viel sitzt und generell zu einem „sesshaften Lebensstil“ neigt, bewegt sich wenig. Dass reduzierte körperliche Fitness zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität führt, ist schon lange unumstritten und mit gesundem Menschenverstand nachvollziehbar (2).
- Sitzen erhöht den Druck auf die untere Lendenwirbelsäule. Dies haben zahlreiche Menschen schon am eigenen Körper erfahren, denn wenn man lange sitzt, schmerzt vor allem der untere Rücken. Bei Stühlen ist daher auf eine Unterstützung der Lendenwirbelsäule zu achten.
- Verlängertes Sitzen ist assoziiert mit erhöhtem Risiko für Übergewicht, Typ ll Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen (3).
- Interessant hierbei ist, dass die negativen Folgen des Sitzens anscheinend nicht durch eine erhöhte körperliche Aktivität außerhalb der sitzenden Tätigkeit kompensiert werden können (4).
Vorteile von stehender Tätigkeit
- Offensichtlich verbraucht man mehr Energie während des Stehens als während des Sitzens. Es hat sich gezeigt, dass stehende/höhenverstellbare Arbeitsplätze zu einem niedrigeren Hüftumfang führen.
- Es wurden niedrigere Cholesterin- und LDL-Spiegel beobachtet, welche als Risikofaktoren für die koronare Herzkrankheit bekannt sind.
- Insgesamt scheinen übergewichtige Menschen mehr von Steh / verstellbaren Arbeitsplätzen zu profitieren als Normalgewichtige.
- Laut einer Studie von Buckley et al. schwankt der Blutzucker weniger stark, wenn man nach dem Essen einer stehenden anstatt einer sitzenden Tätigkeit nachgeht. Hierzu sei gesagt, das diesbezüglich mehrere, sich teils widersprechende Studien bestehen.
- Diverse Studien zeigten eine Reduktion von Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule.
- Insgesamt sollte jedoch angemerkt werden, dass die Studienlage hier dünn ist.
Nachteile von stehender Tätigkeit
- Eine eindeutige Produktivitätssteigerung konnte bisher nicht gezeigt werden.
- Sowohl zu langes Stehen als auch zu langes Sitzen führt zu Unbehaglichkeit und kann Schmerzen verursachen.
Eine praktikable Lösung nach gesundem Menschenverstand
Unser Körper ist nicht für einseitige Belastungen konzipiert, sodass wir auf ausreichend Abwechslung und Bewegung achten sollten. Empfehlenswert sind hier Schreibtische die höhenverstellbar sind, sodass man das Sitzen durch Perioden von stehender Arbeit unterbrechen kann. Die Tischbeine sollten dabei verschiedene einprogrammierbare Höhen haben, sodass stets ein ergonomisches Arbeiten möglich ist. Sollten mehrere Personen einen Schreibtisch verwenden ist darauf zu achten, dass entsprechend viele Positionen gespeichert werden können.
Quellen
- Matthews et al 2008: Amount of time spent in sedentary behaviors in the United States 2003-2004
- Mansager et al. 2018: Association of Cardiorespiratory Fitness With Long-term Mortality Among Adults Undergoing Excercise Treadmill Testing
- Wilmot et al. 2012: Sedentary time in adults and the association with diabetes, cardiovascular disease and death: systematic review and meta analysis.
- Katzmarzyk 2009: Sitting time and mortality from all causes, cardiovascular disease, and cancer.